Der TU-Berlin Sensorhandschuh (TUB-SensorGlove)
- Technische Beschreibung -
Frank Hofmann / Jürgen Henz
Stand: 12.7.1995
1. Einleitung
Der TU-Berlin Sensorhandschuh wurde im Projekt "Anthropomorphe
Roboterhand" im Rahmen einer Studien- und Diplomarbeit an der TU
Berlin am Institut für Technische Informatik, Fachgebiet
Prozessdatenverarbeitung und Robotik (Lehrstuhl Prof. Dr.-Ing.
Günter Hommel) entwickelt. Er wurde auf der Hannover
Messe Industrie 1993 vorgestellt und erregte dort großes
Interesse. Der weiterentwickelte zweite Prototyp wurde auf der
CeBIT 1995 präsentiert.
Der patentierte Handschuh dient zur Eingabe menschlicher
Greifmuster und Gesten in Computer. Dazu ist er mit verschiedenen
Sensoren ausgestattet, die sehr präzise Messungen
ermöglichen (vgl. technische Daten, Abschnitt 5). Im
folgenden werden die beiden Prototypen nun genauer beschrieben.
2. Aufbau
Der erste Prototyp des TU-Berlin Sensorhandschuhs besteht aus zwei
Teilen:
- aus dem eigentlichen Meßhandschuh, der die Bewegungen der
menschlichen Hand und die beim Greifen auftretende Druckverteilung
an ihr aufnimmt (dazu sind auf dem Handrücken zwölf
Positionssensoren und auf der Handinnenseite zwölf
Drucksensoren befestigt); und
- aus einem Meßrechner, der die aufgenommenen Meßwerte
digitalisiert. Über eine serielle Standardschnittstelle
(RS-232) lassen sich die gewonnenen Daten an andere Computersysteme
zur weiteren Verwendung übertragen.
Die kapazitiven Drucksensoren (Abb. 1) messen die Verteilung des
beim Greifen ausgeübten Drucks. Jeder Finger ist mit zwei
Sensoren bestückt; auf dem Handteller sind zwei etwas
größere Sensoren befestigt.
Die Positionssensoren messen die Beugung einzelner Fingergelenke.
Ihre Anordnung ist auf Abb. 2 zu sehen. Wie man erkennt, werden
beim Daumen sämtliche und bei den anderen Fingern jeweils
zwei Gelenke erfaßt. Das reicht aus, um die meisten
Fingerbewegungen vollständig zu charakterisieren. Bei Bedarf
können weitere Sensoren angebracht werden, um zusätzlich
noch die Spreizung der Finger bzw. die Beugung der obersten
Fingergelenke zu messen.
Das Meßprinzip - die Positionssensoren sind induktive
Wegaufnehmer - garantiert hohe Meßgenauigkeit und
mechanische Robustheit (=> Wartungsfreiheit). Die
Meßgenauigkeit ist deutlich höher als bei bisher
kommerziell erhältlichen Produkten wie z.B. dem DataGlove(TM)
von VPL Research.
Die Sensoren sind über eine Hilfsschaltung mit dem
Meßrechner verbunden, der die Signale digitalisiert und zu
Meßtupeln zusammenfaßt. Die Datenblöcke werden
dann über eine serielle Schnittstelle an andere Rechner
weitergegeben.
Der erste Sensorhandschuh bestand aus Baumwolle, um auch über
längere Zeit hinweg ein bequemes Arbeiten zu
ermöglichen.
Der zweite, 1995 vorgestellte Prototyp ist eine verbesserte
Version des ersten Handschuhs. Durch einen auf dem Handschuh
integrierten Mikrocontroller entfällt der externe
Meßrechner. Der Handschuh kann über die eingebaute
RS232-Schnittstelle direkt mit anderen Rechnern kommunizieren.
Die Sensoren wurden verkleinert und ihre Elektronik verbessert.
Spezielle neue Sensoren zur Bestimmung der Lage des Handschuhs im
Raum sowie von Handbewegungen ermöglichen den vollkommen
ortsunabhängigen Einsatz des Geräts (externe
3D-Referenzpunkte werden nicht benötigt).
Der zweite Prototyp ist aus Lycra bzw. Elastan, womit ein
Verrutschen der Sensoren vermieden wird, ohne den Tragekomfort zu
mindern.
3. Anwendungen
Durch seine hohe Genauigkeit und gute mechanische Robustheit kann
der TUB-Sensorhandschuh in vielen Bereichen eingesetzt werden.
Dazu zählen:
- Cyberspace bzw. virtuelle Realität
- Telerobotik (Fernsteuerung von Robotern im Weltraum / an
für Menschen unzugänglichen Orten)
- (Fern-)Steuerung von technischen Geräten mit leicht zu
erlernenden Gebärden
- Intuitive Steuerung komplexer Simulationen
- Steuerung graphischer Benutzungsoberflächen (u.a. CAD-Software)
- Verwendung als universelles Eingabegerät für Computer
- Ansteuerung von elektronischen Musikinstrumenten bzw. von
Musikcomputern / Eingabemedium für analytische und
künstlerische Zwecke
- Medizinische Anwendungen (Handschuh als Eingabemedium zur
Steuerung der 3D-Visualisierung von medizinischen Bilddaten und
zum Einsatz in der Diagnose und Therapie von Bewegungskrankheiten
der Hand)
- Einsatz in der Kommunikation Gehörloser mit Hörenden
(Gebärdeneingabe mit dem Handschuh, Übersetzung durch
den Computer)
4. Aktueller Entwicklungsstand
Der auf der CeBIT 1995 präsentierte zweite Prototyp eignet
sich bereits hervorragend für den täglichen Einsatz.
Ziel bei der Entwicklung des dritten Prototypen, die gerade
anläuft, ist es, den Funktionsumfang des Handschuhs zu
erhöhen, um ihn insbesondere für den Einsatz in der
Erforschung von Gebärdensprachen zu optimieren.
Entwicklungsziele sind:
- Weitere Miniaturisierung der Elektronik;
- Steigerung der Meßrate auf 100 Meßtupel / Sekunde;
- Ersetzung der optionalen Druckaufnehmer durch resistive
Foliendruckaufnehmer (kleiner, leichter);
- Verfeinerung der räumlichen Lagesensorik mittels
empfindlicherer Meßaufnehmer;
- Bereitstellung unterschiedlicher Handschuhgrößen
(klein, mittel, groß) sowie einer linkshändigen Version
zur Messung beidhändiger Gebärden.
5. Vorläufige technische Daten
- Handschuh
- Material:
Lycra bzw. Elastan
- Gewicht (mit Elektronik):
ca. 150g
- Positionssensoren
- Anzahl:
12 (erweiterbar auf max. 24)
- gemessene Freiheitsgrade:
12 (erweiterbar auf max. 20)
- Winkelauflösung:
(0.1 -) 1 Grad
- Auflösung in Bit:
8 (dynamisch änderbar)
- Drucksensoren
- Anzahl:
12 (optional)
- Meßbereich in Gramm:
ca. 1 ... > 5.000 (nichtlineares Ansprechverhalten)
- Auflösung in Bit:
8
- Lagesensoren
- Anzahl:
3 (optional 6)
- Auflösung in Bit:
8 (optional 16)
- Hardware
- Schnittstelle:
RS-232, max. 19.200 Baud, 3-Draht (TxD, RxD, GND)
- Spannungsversorgung:
5V
- Stromaufnahme:
ca. 200mA
Typische Meßraten für verschiedene Sensorkombinationen
(Meßrate dynamisch änderbar):
beteiligte Sensoren / Tupelgröße [in Bytes] /
Meßrate [in Meßtupeln pro Sekunde] *)
12x Position / 12 / 83
12x Position, 12x Druck / 24 / 42
12x Position, 12x Druck, 3x Lage / 27 / 37
*) Typischer Wert für die Meßdauer eines Sensors: ca. 1ms
(aufgrund der dynamisch veränderbaren Meßgenauigkeit sind
auch geringere Meßzeiten möglich)
6. Ansprechpartner
Technische Universität Berlin
Institut für Technische Informatik
Sekretariat EN10
Einsteinufer 17
D-10587 Berlin
Letzte Änderung: Freitag, 03.10.1995
Zurück zu
Prozessdatenverarbeitung (PDV)