Offene Probleme bei der Modellierung mit stochastischen Petri-Netzen

Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des Graduiertenkollegs

Prof. Dr.-Ing. Günter Hommel


Zusammenfassung

Stochastische Petri-Netze haben sich innerhalb weniger Jahre zu einem wirkungsvollen, auch industriell genutzten Hilfsmittel entwickelt, das eine quantitative Bewertung diskreter Systeme erlaubt. Die Leistungsbewertung von Rechnerarchitekturen, Kommunikationssystemen, Verkehrssystemen und flexiblen Fertigungssystemen sowie die Zuverlässigkeitsanalyse fehlertoleranter Systeme stehen bei den Anwendungen im Vordergrund.

Die internationale Forschung beschäftigt sich damit, die Modellierungsmächtigkeit dieser Netze so zu erweitern, daß Analysen bisher nicht oder nur approximativ lösbarer Probleme ermöglicht werden. Das zentrale Problem besteht darin, daß ein stochastisches Petri-Netz-Modell auf einen zugehörigen stochastischen Prozeß abgebildet werden muß. Dieser Prozeß muß mit Methoden der Stochastik gelöst werden und liefert Aussagen über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Marken in den Stellen des Petri-Netzes. Aus dieser Verteilung der Marken können direkt Aussagen über die Wahrscheinlichkeit bestimmter Zustände im zugehörigen technischen System abgeleitet werden.

Beschränkt man die Modellierungsmächtigkeit der Netze in geeigneter Weise, so ist es möglich, das Netzmodell auf Markow-Prozesse abzubilden, für die Standardtechniken zur Lösung bekannt sind. Diese Einschränkungen in der Modellierungstechnik sind jedoch z.B. in Echtzeitsystemen nicht akzeptabel. Deterministische und stochastische Petri-Netze (DSPN) wurden für solche Anwendungen entwickelt. In diesen Netzen sind neben Transitionen mit einem Zeitverhalten, das einer Exponentialverteilung genügt, zusätzlich zeitlose Transitionen (wie in den klassischen von Petri definierten Netzen) und Transitionen mit einer deterministischen (festen) Schaltzeit möglich. Diese Klasse von Netzen wird seit einigen Jahren sehr erfolgreich im Institut untersucht und führten zur Entwicklung des Werkzeugs TimeNET, das in mehr als 200 Installationen international in der Forschung und in der Industrie eingesetzt wird.

Trotz dieser Erfolge bleiben allerdings in der Praxis zahlreiche Wünsche offen. Diese gehen vor allem in drei Richtungen.

1. Die Modellierungsmächtigkeit der Netze muß nach wie vor eingeschränkt werden, damit die entstehenden Gleichungssysteme, die partielle und gewöhnliche Differntialgleichungen sowie algebraische Gleichungen enthalten, numerisch gelöst werden können. Fortschritte in diesem Bereich sind sehr mühsam zu finden.

2. Die Größe des Zustandsraums ist bei Problemen aus der Praxis oft die limitierende Größe für die numerische Analysierbarkeit. Mit heutigen Werkzeugen können immerhin Zustandräume bis zu 10 Millionen Zuständen behandelt werden. Die Überwindung dieser Grenzen mit verschiedenen Methoden ist nach wie vor ein aktives Forschungsgebiet.

3. Große Petri-Netze weden schnell unübersichtlich. Bei klassischen Petri-Netzen hat man daher Möglichkeiten zur modularen Beschreibung z.B. in Form farbiger Petri-Netze gefunden. Die Ausnutzung dieser Strukturierung zur Analyse des zugehörigen stochastischen Prozesses ist weitgehend ein offeness Problem.

Im Vortrag werden nach eine kurzen Einführung in den Bereich der stochastischen Petri-Netze vor allem diese offenen Problemfelder diskutiert.